Anarchie am Schlachtensee - Bericht aus der Beliner Morgenpost
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von Katrin Lange, 16.05.2015
Zunächst sieht es so aus, als wäre alles unterwegs, was zwei Beine hat. Unten am Seeufer, direkt vor dem S-Bahnhof Schlachtensee, kreuzen am Freitagmorgen Jogger, Walker und Spaziergänger den Weg. Kein Hund weit und breit. "Zum Glück", ruft ein Jogger. Heute sei ihm noch keiner zwischen die Beine gesprungen. Der nächste Läufer sieht es anders. "Schade, dass sie nicht da sind", sagt er. Es sei langweilig ohne Hunde. Doch dann, auf dem Weg Richtung Fischerhütte, taucht auf einmal Hund Lilly auf dem Uferweg auf, an der Leine von Regine Ahrem. "Ich gehe seit 14 Jahren jeden Morgen mit dem Hund am Ufer meine Runden und das werde ich auch weiterhin tun", sagt die Zehlendorferin.
Es ist der erste Tag, an dem das Hundeverbot rund um den Schlachtensee und die Krumme Lanke gilt. Zwei Sommer und einen Winter soll das Pilotprojekt laufen. Danach wollen Bezirk und Senat sehen, ob es geholfen hat, die Konflikte zwischen Badegästen und Hundebesitzern zu entschärfen. Noch am Vortag hatten 1500 Gegner der neuen Regelung am Schlachtensee protestiert und die Aussetzung des Verbots gefordert. Da die Entscheidung vom Bezirksamt im Alleingang getroffen wurde, fordern sie einen Dialog aller Schlachtensee-Nutzer. Denn das ist die einhellige Meinung: Nicht nur die Hunde sind das Problem. Zu hören sind Klagen über rasende Fahrradfahrer, Jugendliche, die lautstark feiern und auch Mütter, die Windeln einfach ins Gebüsch werfen. Ein ganz großes Thema ist der Müll, der haufenweise im Wald und am Ufer liegt.
Tatsächlich sind am Freitagmorgen mehr leere Sektflaschen am Schlachtensee zu sehen als Hunde. Auch Kontrolleure tauchen am ersten Tag des Verbots nicht auf, weder Mitarbeiter des Ordnungsamtes noch der Polizei. Schilder, die regeln sollen, wo Hunde laufen dürfen, fehlen teilweise auch noch. Insofern herrscht an diesem ersten Tag die Anarchie. Viele der Befragten, die weiterhin mit ihren Hunden ihre Runden drehen, zucken angesichts der neuen Regelung nur mit den Schultern. "Wir lassen uns mit unseren Hunden nicht ausgrenzen", sagt Regine Ahrem. Und erstaunlich viele Spaziergänger ohne Hund haben Verständnis dafür.
Zu ihnen gehören Roswitha und Siegfried Klawikowski. Die beiden wohnen in der City und wollen mitten in der Stadt keinen Hund halten. Sie mögen die Vierbeiner trotzdem, deshalb kommen sie dreimal in der Woche an den Schlachtensee. In der Tasche von Frau Klawikowski ist eine Tüte mit Hundeleckerli. Die holt sie gleich zur großen Freude von Hund Lilly heraus. "Ich würde mir es auch nicht verbieten lassen, mit dem Hund hier spazieren zu gehen", sagt sie. Was sei das denn für eine Gesellschaft, die keine Tiere mehr mag. Auch ihr Mann versteht die rigiden Maßnahmen nicht. "Ich laufe seit 50 Jahren um den See und mich hat noch nie ein Hund angefallen", sagt Siegfried Klawikowski. In diesem Augenblick kommen zwei Hotelgruppen auf Fahrrädern vorbei. "Vielleicht steckt die Tourismusindustrie hinter dem Verbot", mutmaßt er. Die wollte vielleicht freie Bahn für eine Radrennstrecke haben.
Er verstehe nicht, sagt der Senior mit schickem Hut, warum angeleinte Hund nicht mehr auf dem Uferweg ausgeführt werden dürfen. Was solle dabei schon passieren? "Ich habe immer aufgepasst, dass Lilly keinen stört, vor allem in der Badesaison", stimmt ihm Regine Ahrem zu. Das Tier gehöre zu ihrem Leben. Sie bedauert, dass die Stimmung durch das Verbot "aufgeputscht" ist. Statt das Miteinander habe es die Aggressionen verstärkt.
Gerd Hanschmann ist aus Kleinmachnow zum Joggen an den Schlachtensee gekommen. Er hatte zehn Jahre einen Hund, mit dem er viel an den Seen unterwegs war. Der Sportler versteht die Badegäste. Deshalb sei er auch immer an den Grunewaldsee gefahren, wenn der Hund ins Wasser wollte, erzählt er. Hanschmann findet die Hunde "ziemlich relaxt" an den Seen, er kenne keinen Jogger, dem ein Hund etwas getan hätte. Infrage stelle er eher, wie sich manche Menschen am See benehmen.
Hund auf dem Fahrrad
Um das Verbot zu umgehen, hat sich Axel Lehmann eine ganz besondere Konstruktion ausgedacht. Sein Hund Bonita sitzt in einer Box auf dem Fahrradgepäckträger und streckt neugierig die Schnauze in die Luft. So kann er mit seinem Hund gemeinsam den Uferweg nutzen. "Und wenn Bonita raus will, setze ich sie auf einen Baumstamm", sagt der Anwohner. Dann könne keiner sagen, dass sie den Weg nutze. Hinter der Spitzfindigkeit steckt dennoch großer Unmut. "Ich habe ein anderes Demokratieverständnis", sagt der junge Mann zum Verbot. Man hätte von allen Gruppen einen Vertreter schicken sollen und gemeinsam ein Konzept erarbeiten müssen. Er sei selbst Jogger, Radfahrer, Hundebesitzer und Spaziergänger und auch nicht immer damit einverstanden, wie die sich manchmal aufführen. Aber dass nun eine Gruppe – die der Hundebesitzer – ausgeschlossen werde, sei nicht nachzuvollziehen. Lehmann will das Verbot künftig für sich auslegen. "Wenn ich niemanden behindere, keinen Jogger oder Badegast, dann lasse ich Bonita laufen."
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